Bewegungsmangel – ist Sitzen wirklich das neue Rauchen?
Vor einigen Jahren galt das Rauchen als einer der größten gesundheitlichen Risikofaktoren für die Gesellschaft. Mittlerweile ist bewiesen, dass Sitzen eine ähnlich gesundheitsschädliche Wirkung wie Tabak inhalieren hat. Amerikanische Forscher stützen diese Behauptung auf Studien, in denen Menschen, die länger als 6 Stunden täglich sitzen, eine 20 % geringere Lebenserwartung haben. [1]
Ständiges ausharren auf einem Stuhl ist der menschlichen Natur zuwider, denn eigentlich ist unser Körper darauf ausgelegt täglich weite Strecken zu Fuß zurückzulegen. Während wir heutzutage meistens nur noch wenige tausende oder hunderte Schritte am Tag gehen, lief unser Artgenosse der Homo Erectus bis zu 15 km täglich. [2]
Aufgrund der heutigen Mobilität sind wir kaum noch darauf angewiesen uns zu Fuß fortzubewegen. Zudem ermöglichen es technische Entwicklungen, dass wir unseren Alltag fast ohne körperliche Anstrengungen bewältigen können. Dabei ist die neugewonnene Bequemlichkeit kein Vorteil, sondern schadet langfristig der Gesundheit.
Körperliche Inaktivität begünstigt eine Reihe chronischer Krankheiten, wie Diabetes mellitus 2, Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar einige Krebsarten. [3]
Die gesundheitlichen Probleme, die durch Bewegungsmangel entstehen verringern sich im Gegensatz zu vielen anderen globalen Gesundheitsrisiken nicht, sondern steigen immer mehr an. Dabei ist Bewegungsmangel vor allem ein Problem der Industrieländer. Grund dafür ist die zunehmende Kopfarbeit, die meist mit 8-stündigem Sitzen am Schreibtisch einhergeht. Aus diesem Grund sind Menschen in Entwicklungsländern von Bewegungsmangel nur halb so oft betroffen, wie Menschen in Industrienationen. Im weltweiten Ranking belegt Deutschland den 7. Platz, mit einem Anteil von 42 % Erwachsenen mit Bewegungsmangel in der Gesamtbevölkerung. Bewegungsmangel bedeutet, in diesem Fall das Unterschreiten der WHO-Vorgabe von mindestens 75 Minuten Sport, oder 150 Minuten Bewegung pro Woche. Damit zählt Deutschland zu den traurigen Spitzenreitern, der Länder mit einer inaktiven Bevölkerung und liegt im Ranking noch vor den USA und dem vereinigten Königreich. [4]
Um langfristig negative Auswirkungen durch längeres Sitzen (>4 Stunden) zu minimieren, sollte man sich laut WHO mindestens 30 Minuten pro Tag bewegen. Allerdings ist ein weit strafferes Pensum von 60/70 Minuten Bewegung pro Tag erforderlich um mehr als 8 Stunden täglichen Sitzens zu kompensieren. [5]
Einige Wissenschaftler sagen sogar, dass lange Sitzzeiten von 8 Stunden im Büro, nicht am Feierabend wieder ausgeglichen werden können und selbst sehr sportliche Menschen durch langes Sitzen Schaden nehmen. [1]
In jedem Fall gilt es Sitzen, wenn möglich zu vermeiden und jede Gelegenheit im Alltag zu nutzen, um sich zu bewegen. Dazu gehört es schon, bewusst auf den Aufzug zu verzichten und stattdessen die Treppe zu benutzen. Oder einfach mal das Auto stehen zu lassen, anstatt Strecken zu fahren, die man auch zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen könnte. Auch während der Arbeit sollten lange Sitzzeiten vermieden werden und man sollte alle 20 Minuten aufstehen, anstatt durchgängig zu sitzen. Sinnvoll ist es auch zwischendurch ausgleichende Übungen am Arbeitsplatz durchzuführen, um sich regelmäßig aufzulockern. Einige Arbeitgeber haben die gesundheitlichen Risiken des Dauersitzens bereits erkannt und bieten ihren Mitarbeitern im Rahmen des BGM höhenverstellbare Tische an, so dass man die Möglichkeit hat zwischendurch im Stehen zu arbeiten und durch den Wechsel von Sitzen und Stehen in Bewegung zu bleiben. Grundsätzlich gibt es viele weitere Möglichkeiten ständiges Sitzen in der Arbeitswelt zu vermeiden. Telefonate können beispielsweise im Gehen durchgeführt werden, ein Meeting kann auch mal im Stehen abgehalten werden und während der Mittagspause könnte man an Stehtischen essen, anstatt sich hinzusetzen.
1 Amna Franzke. Zeit Campus. Ist Sitzen das neue Rauchen?. Abgerufen 26.11.2019 von, https://www.zeit.de/campus/angebote/100-tage-2017/2/ist-sitzen-das-neue-rauchen
2 Füzéki, Eszter; Banzer, Winfried (2018): Bewegung und Gesundheit. In: Robin Haring (Hg.): Gesundheitswissenschaften, Bd. 8. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg (Reference Pflege – Therapie – Gesundheit), S. 1–14.
3 Alfred Rütten; Klaus Pfeifer (2016): Nationale Empfehlung für Bewegung und Bewegungsförderung. Abgerufen 26.11.2019 von, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/B/Bewegung/Nationale-Empfehlungen-fuer-Bewegung-und-Bewegungsfoerderung-2016.pdf
4 Wolgang Geissel (2018): Deutsche werden immer mehr zu Bewegungsmuffeln. Abgerufen am 26.11.2019 von, https://www.aerztezeitung.de/Panorama/Deutsche-werden-immer-mehr-zu-Bewegungsmuffeln-229370.html
5 Predel, H-G; Nitschmann, S. (2017): Wie beeinflusst körperliche Aktivität die Mortalität? In: Der Internist 58 (7), S. 753–756. DOI: 10.1007/s00108-017-0251-y.